Der Bürger sollte es nicht wissen

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Bund Naturschutz (BN), Bürgerforum „Wörnitztal mit Zukunft“ und die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen präsentierten in einer gemeinsamen Pressekonferenz die juristischen Bewertungen zweier Anwaltskanzleien, die vom Zweckverband Interfranken nach dessen Niederlage vor dem Bay. VGH in Auftrag gegeben wurden.

 

Nach den Worten des BN-Kreisvorsitzenden Paul Beitzer habe man sich nach reiflicher Überlegung zu diesem Schritt entschlossen, weil sowohl die betroffene Bevölkerung als auch die kommunalpolitische Ebene ein Recht auf Information haben. Man habe sich bisher mit der Veröffentlichung zurückgehalten, weil eine offene und umfangreiche Information eigentlich Aufgabe des Zweckverbandes sei. Nachdem hier aber weiter gemauert werde, sahen wir den Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Es dränge sich außerdem der Eindruck auf, dass auf politischer Ebene versucht werde, durch eine Aufweichung der Vorgaben des Landesentwicklungsprogamms (LEP) durch die Hintertür das sinnlose Projekt doch noch durchzusetzen. Vernünftiger wäre es, auf bereits vorhandenen Flächen nach angemessenen Alternativen zu suchen. Die Wirtschaftsförderung des Landkreises liste 4,5 Mio. qm Gewerbefläche auf, hier biete sich ein breites Betätigungsfeld.

 

Zu den Bewertungen im Einzelnen

 

Inhaltlich kommen die Juristen zu keinen wirklich neuen Ergebnissen. Bemerkenswert ist allerdings, dass beide Kanzleien zu dem Ergebnis gelangen, dass allein ein neues Aufstellungsverfahren sinnvoll wäre. Das widerspricht z. B. Verlautbarungen des stellvertretenden ZV-Vorsitzenden Ruh, der mehrfach suggerierte, mit einigen Verbesserungen könne in einem sog. Ergänzungsverfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB weitergewurschtelt werden. Es wird auch klar festgestellt, dass es sich zu einem hohen Anteil um „materielle Mängel“ handelt, keineswegs um Formalien, wie der Zweckverband häufig suggerierte. Darunter sind auch Punkte wie die Vereinbarkeit mit den Natura 2000-Zielen und anderen Artenschutzaspekte, wo es gar keine Abwägungsmöglichkeit gibt, sondern die aus guten Gründen schlicht und einfach zu erfüllen sind.

 

Die Ausführungen der Kanzlei Gleiss Lutz zu den sich aus den seitens des Gerichts aufgeführten einzelnen Fehlerquellen des Bebauungsplans Nr. 2 und den sich daraus ergebenden Konsequenzen erscheinen grundsätzlich zutreffend und werden von uns geteilt.

 

Von besonderer Bedeutung waren indessen die Anmerkungen des VGH in seinem Urteil vom 28.10.2014 zu der Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Zielen der Raumordnung (LEP 2013) sowie zum Gesichtspunkt Natura-2000-Gebiete.

 

Die beiden Stellungnahmen decken sich bei der Frage der Raumordnung im Wesentlichen mit ihrer Einschätzung. Hervorzuheben ist jedoch die Tatsache, dass die Kanzlei Bohl im Ergebnis letztendlich eine politische Lösung anstrebt. Unseres Erachtens ein klares Indiz dafür, dass nach Auffassung der Kanzlei Bohl dem Vorhaben nicht abwägbare rechtliche Hindernisse entgegenstehen.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

 

Gerade die Stellungnahme der Kanzlei Gleiss Lutz im Hinblick auf die Raumordnung sowie den Naturschutz zeigt, dass dem Vorhaben unter Umständen rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die nicht unter den Abwägungsvorbehalt fallen und somit eine Realisierung des Projekts unter Umständen ausschließen. Sollte er demgegenüber an dem Vorhaben festhalten wollen, wären weitere umfangreiche Untersuchungen nebst Gutachten erforderlich, aus denen sich gleichfalls ergeben könnte, dass das Projekt nicht realisierbar ist.

 

Für BN, Bürgerforum und Gründe ist klar: Selbst falls der ZV nach mehrjährigem Aufstellungsverfahren einen neuen BP erlassen sollte, stünde ein solcher auf tönernen Füßen. Bei der Summe der Änderungen und Anpassungen würde mit jedem einzelnen Punkt die Luft für „Interfranken“ dünner. Es wäre keinesfalls gewährleistet, dass der BP durch die Gerichte nicht erneut zu Fall gebracht werden würde. BN und Bürgerforum lassen keinen Zweifel daran, dass sie in einem solchen Fall umgehend wieder den juristischen Weg einschlagen werden.

 

Auch einem neuen BP würde die städtebauliche Notwendigkeit fehlen. Zur Ansiedlung auch großflächiger Betriebe liegen in der Region und selbst im „Interfranken“-Gebiet zahlreiche Alternativen vor. BN-Vorsitzender Paul Beitzer verweist auf die Gewerbeflächen am Bahnhof Dombühl, Feuchtwangen-Seiderzell und Schnelldorf-Hilpertsweiler. Dieser grundsätzliche Widerspruch zum BauGB bleibt im Umgriff der Hofstelle Trump weiterhin bestehen. Selbst mit einem fortgeschriebenen LEP nach IF-Wünschen lassen sich Alternativenprüfungen nicht vermeiden.

 

Gleiches gilt für die Bodenschutzklausel des BauGB. Allein die kilometerlangen Zubringer und Umgehungsstraßen bewirken einen außergewöhnlichen Flächenverbrauch. Dies ist mit dem Gebot des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden nicht vereinbar. Diese und weitere Aspekte hat der VGH aufgrund der Fülle an verfahrensrechtlichen und materiellen Mängel des BP gar nicht mehr thematisiert.

 

Im VGH-Urteil war einer der wesentlichen Gründe für die Aufhebung des Bebauungsplans die unzulässige Festsetzung eines „Sondergebietes“. Ein solches kann man nicht nach Polit-Gutdünken festsetzen, sondern nur dann, wenn es tatsächliche Gründe gibt. Nachdem bei „Interfranken“ aber nichts festgesetzt wurde, was in einem Industriegebiet nicht auch möglich gewesen wäre, war schon das unzulässig. Die Festsetzung eines Industriegebietes in der freien Landschaft wäre aber gar nicht möglich gewesen, weil im bay. LEP aus guten Gründen ein „Anbindegebot“ an vorhandene Siedlungsstrukturen gilt. Da kann man an dem Bebauungsplan noch x-mal herumdoktern oder ihn neu auflegen – es ändert nichts an der Unzulässigkeit. Deswegen arbeitet die Bay. Staatsregierung und die politische Mehrheit seit längerer Zeit an einer Lockerung des Anbindegebots, was in seiner Konsequenz nichts anderes bedeuten würde, dass nach politischem Gutdünken Bayern durch Zersiedelung seinen Charakter verlieren und eine regelrechte Amerikanisierung eintreten würde.

 

Als skandalös werten die drei Gruppierungen mehrfach und massiv vorgetragenen Empfehlungen der Kanzlei Bohl, auf politischem Weg mit einer Änderung des LEP die fehlenden Voraussetzungen „künstlich“ herbei zu führen. Wörtlich heißt es: „ Im Ergebnis steht somit der Versuch im Raum, die Voraussetzungen des Planungsverfahrens auf politischer künstlich zu schaffen. Um dies durchzusetzen, bedarf es einer entsprechend überzeugenden Argumentation im Gespräch mit der Landesregierung, insbesondere mit Minister Söder. … Nach alledem kann man feststellen, dass sich ein Versuch der politischen Durchsetzung des Interfrankenprojekts durchaus lohnt. Inweiweit die Strategie im Endeffekt erfolgreich ist, lässt sich allein an Gesprächen mit der Landesregierung messen. Eine entsprechende Kontaktaufnahme ist ohne große Abstriche an Ressourcen- und Zeitaufwand möglich und sollte jedenfalls ins Auge gefasst werden…“

 

Damit räumt die Anwaltskanzlei faktisch also ein, dass die landesplanerischen Voraussetzungen für Interfranken definitiv fehlen. Es ist beschämend, dass nun mangels Respekt vor Gerichtsentscheidungen die Gesetze in Form einer „Lex Interfranken“ passend gemacht werden sollen, um das sach- und rechtswidrige Projekt gegen Bevölkerung und Umwelt doch noch durchzuboxen. Was BN-Geschäftsführer Helmut Altreuther bei der Lektüre noch aufgefallen ist: Die Kanzlei Bohl hat bereits am 13.03.15 ein achtseitiges Gutachten erstellt, das sich streng an der bestehenden Rechtslage orientiert. Am 09.04.15 erstellte sie eine komprimierte, lediglich fünfseitige Expertise, mit der mehrfachen massiven Aufforderung, den politischen Weg einer Einflussnahme auf eine Änderung des LEP zu nehmen. Eingangs heißt es in dem Schreiben der Kanzlei an den Verbandsvorsitzenden Beck u. a.: „…im Anschluss an unsere Zusammenkunft vom 02.04.15 fassen wir wunschgemäß die wesentlichen Aspekte der Besprechung zum weiteren taktischen Vorgehen … zusammen.“ Für Altreuther ist das ein klares Indiz dafür, dass man entweder seitens des Zweckverbandes Druck auf die Anwaltskanzlei ausgeübt hat oder gemeinschaftlich zum Ergebnis gekommen ist, den Verbandsräten per Anwaltsempfehlung dies zu suggerieren.

 

Dass genau in diese Richtung seit längerer Zeit gearbeitet wird, belegen nicht nur entsprechende „Tätigkeitsnachweise“ von Interfranken. Aus einem ministeriumsinternen Schreiben des Bay. Finanzministeriums vom Mai dieses Jahres von Staatsminister Söder an seinen Staatssekretär Hintersberger geht das sehr konkret hervor (siehe Anlage).

 

Der ländliche Raum soll also noch mehr frei verfügbare Dispositionsmasse zur weiteren Amerikanisierung Bayerns werden, Lockerungen beim Anbindegebot sind explizit genannt, ebenso kommunale Zweckverbände – ausgerechnet durch das „Heimatministerium“.

 

Zum wiederholten Mal fordern BN, Bürgerforum und Grüne die Aufgabe von „Interfranken“ – das Ende mit Schrecken ist deutlich besser als ein Schrecken ohne Ende. Und nicht nur das: Sie fordern den Rücktritt der „Interfranken“- Führungsspitze, also des Vorsitzenden Beck und seines Stellvertreters Ruh. Diese haben sich mit ihrer Fakten-Ignoranz und permanenter Schönrednerei als ungeeignet und unwillig erwiesen, das selbst angerichtete Desaster zum Wohle der Bevölkerung rasch zu beenden. Die Abwicklung von „Interfranken“ müsse durch neue, unbelastete Personen erfolgen.